Chairman Salz, Schuldezernentin Anat Levy, Dotan Rochman, Leiter der Sicherheitsabteilung, und Omri Hagag, Community Manager des Kibbuz Dan, berichteten über die Entwicklungen seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres, als die Hamas Israel brutal angriff. Die zwölf Grundschulen und vier Highschools im Oberen Galiläa wurden zunächst alle geschlossen. Inzwischen wird in zwei Highschools und vier Grundschulen wieder unterrichtet. Außerdem wurden in mehreren Kibbuzim zusätzlich dezentral und in Bunkern Unterrichtsmöglichkeiten vor Ort eingerichtet. In den Schulen wird häufig in zwei Schichten unterrichtet, damit sich nicht alle Schüler zeitgleich an einem Ort befinden. Bis zum vergangenen Sommer wurden noch 35 neue Bunker mit Toiletten und Duschen in Schulen im Oberen Galiläa eingebaut.
Nach dem Angriff der Hamas wurden 14 Kibbuzim komplett evakuiert, die sich in weniger als vier Kilometer Entfernung zur libanesischen Grenze befinden. Darüber hinaus haben viele Menschen aus den anderen 15 Kibbuzim entschieden, die Region – zumindest vorübergehend – freiwillig zu verlassen. Langsam kehren hier jedoch die ersten Bewohner wieder zurück. Der Staat übernimmt für die Evakuierten bei der Unterbringung im Hotel alle Kosten. Die Bürgerinnen und Bürger haben aber auch die Möglichkeit, sich „selbst zu organisieren“, beispielsweise in privaten Unterkünften, bei Familienangehörigen oder Ähnlichem – in diesen Fällen erhalten Betroffene ebenfalls eine finanzielle Entschädigung vom Staat.
Mitglieder der Kibbuzim versuchen, die Gemeinschaft zusammenzuhalten
Obwohl die Mitglieder der Kibbuzim teilweise über das ganze Land verteilt leben, versuchen sie, die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Gerade der Zusammenhalt in den Kibbuzim ist der Grund für viele Bewohner, im Norden des Landes zu leben. Deshalb soll das Gemeinschaftsgefühl weiter am Leben gehalten werden. Hier gibt es Sorgen, dass sich nach dem Krieg eventuell nicht mehr so viele ehemalige Kibbuzim-Bewohner für ein Leben im Norden nahe der Grenze zum Libanon und zu Syrien angesichts der dortigen ständigen Bedrohungslage entscheiden werden.
Ein Großteil der Bewohner des Kibbuz Menara, unmittelbar an der libanesischen Grenze, lebt nun in einem Hotelkomplex in Tiberias am See Genezareth. Dort wurde im Hotel ein Kindergarten eingerichtet, für die Senioren werden verschiedenste Handwerks- und Gymnastikkurse angeboten und die Hotellobby wird zur neuen „Ortsmitte“. Man versucht, vor allem mit der Hilfe zahlreicher Freiwilliger, möglichst viel Normalität ins Leben zurückzuholen. Ähnlich sieht inzwischen das Leben
der Bewohner des Kibbuz Dan aus, die in Haifa im gleichnamigen Hotel Dan untergebracht wurden. Die Unterbringung in einem Hotel klingt zwar nach Urlaub, jedoch bringt sie viele Herausforderungen mit sich. So müssen sich bis zu vier Personen ein Hotelzimmer teilen. An richtigen Alltag ist dennoch nicht zu denken: Man hat selbst keine Möglichkeiten zu kochen, es gibt nur wenige Waschmaschinen – Hotels sind nicht auf „Dauergäste“ eingestellt – und es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten.
Der Bürgermeister des Kibbuz Menara plant derzeit gemeinsam mit der Regionalverwaltung den Umzug seines Kibbuz aus dem Hotel in den Kibbuz Gadot im südliche Oberen Galiläa – dort sollen die Bewohner so lange ein neues Zuhause finden und in die Kibbuzgemeinschaft aufgenommen werden, bis in Menara alle Schäden behoben wurden und die Bewohner wieder in ihr Zuhause zurückkehren können. Ihr Wille, wieder alles aufzubauen und zurückzukehren, ist ungebrochen. So versucht man auch, für die Kinder und Jugendlichen im Schulalter möglichst viel Schulalltag zu gewährleisten. In Tiberias wurde hierfür beispielsweise ein Containerdorf errichtet, in dem die Schüler teilweise von ihren Lehrern aus dem Norden und teilweise von neuen Lehrkräften gemeinsam mit Schülern aus dem gesamten evakuierten Norden unterrichtet werden. Man möchte die Kinder möglichst auffangen und ihnen einen Alltag und eine Perspektive bieten.
In allen Kibbuzim des Oberen Galiläas wurden Einheiten zum Schutz des Ortes zusammengestellt, die mehrfach in der Woche den Ernstfall trainieren. Man möchte um jeden Preis verhindern, dass sich die Geschehnisse vom 7. Oktober auch im Norden des Landes wiederholen.
Delegation hörte überall sehr persönliche Geschichten
Neben all den organisatorischen und beruflichen Herausforderungen hörte die Delegation überall sehr persönliche Geschichten vom Sohn in Gaza, der ermordeten Freundin der Tochter auf dem Festival und den Trauerfällen. Der 7. Oktober und seine Folgen beschäftigt die Bewohner des Oberen Galiläas, wie ganz Israel, in vielen Aspekten des Lebens. Dennoch hörten die Delegationsmitglieder von allen Seiten, dass man optimistisch bleiben wolle. Und noch etwas wurde deutlich: Die Bevölkerung Israels rückt wieder näher zusammen.
Die Delegation hatte noch eine andere wichtige Begegnung mit Hassan und Halima Hussaq, in Kfar Manda lebende Araber, die viele Jahre lang auf dem Spätlingsmarkt des Landratsamts Kaffee und Hummus verkauft haben. Gemeinsam mit zwei Vertretern des Oberen Galiläas war die Delegation dort zu Gast und wurde mit offenen Armen empfangen. Diese Begegnungen zwischen Arabern und Juden machen auch etwas Hoffnung für die Zukunft, nachdem das Vertrauen in die Nachbarn und an ein friedliches Miteinander am 7. Oktober stark beschädigt wurde.
„Danke, dass Ihr hier seid“, wurde in diesen Tagen schon fast zur Begrüßung
Das „Danke, dass Ihr hier seid“ wurde in diesen Tagen schon fast zur Begrüßung. Mehrfach hörten die Delegationsmitglieder, wie dankbar man Deutschland sei, dass es in dieser Zeit zu Israel steht, aber auch wie wichtig die Partnerschaft zwischen dem Oberen Galiläa und dem Landkreis Ludwigsburg ist. Egal, welche Art der Solidarität der Landkreis an die Partner im Oberen Galiläa geschickt hat – sei es die gehisste Israel-Fahne ab dem 7. Oktober, ein gemeinsames Foto von allen Mitgliedern des Kreistags mit israelischer Fahne oder das Solidaritätskonzert – es rückte beide Partner in dieser schweren Zeit noch näher zusammen, sendete Zeichen der Hoffnung und Freundschaft.
Die Delegation hatte auch drei Begegnungen mit Lernenden und Lehrenden, die unabhängig voneinander darum baten, nicht ungeprüft alle Nachrichten auf Social Media zu glauben, sondern sich selbst zu informieren, sich ein eigenes Bild zu machen und darüber zu sprechen. Weitere Stationen des Besuchs waren die Deutsche Botschaft und der „Platz für die Geiseln“, beide in Tel Aviv.
Dass auch die Zeit nach dem Krieg große Herausforderungen bereithalten wird, ist schon jetzt sichtbar: Angesichts der schulischen Defizite, die die Kriegszeit zwangsläufig mit sich bringt, müssen Angebote für die Schülerinnen und Schüler geschaffen werden, die diese Defizite ausgleichen – und Soldaten, die nach vielen Monaten aus dem Krieg zu ihren Angehörigen zurückkehren und teilweise an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, müssen erst einmal wieder ihren Platz in der Familie wiederfinden.